Dekarbonisierung der Edelstahlindustrie – wir haben jetzt die Chance, die Zukunft unseres Planeten zu gestalten 

Edelstahl ist ein Eckpfeiler der heutigen Gesellschaft – eingesetzt nahezu überall in unserem Alltag. Neben dem Einsatz beim Bau von Gebäuden und in der Infrastruktur kann Edelstahl auch bei der Herstellung von Autos, Löffeln, Waschmaschinen oder für OP-Messer eingesetzt werden, um nur einige Bespiele zu nennen. Doch wie viele Branchen steht auch die Stahlindustrie vor der großen Herausforderung, nachhaltiger zu werden. Noch ist die Stahlproduktion für insgesamt rund 7 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, und jede produzierte Tonne ist im Durchschnitt mit rund 1,85 Tonnen CO2-Emissionen verbunden.


Zusätzlich zu den Treibhausgasemissionen entsteht durch die Stahlherstellung Abfall und Luftverschmutzung, und sie trägt zur anhaltenden Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen bei. Mit steigender Nachfrage nach dem Material steigt auch sein ökologischer Fußabdruck – es sie denn, die Industrie kann nachhaltigere Methoden entwickeln und einführen.

Laut Stefan Erdmann, Chief Technology Officer & Leiter Group Sustainability bei Outokumpu, sind Umweltaspekte einer der beiden Hauptfaktoren, die den Trend zur Nachhaltigkeit für Edelstahlproduzenten vorantreiben. Der andere, so Erdmann, ist wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Nachfrage nach nachhaltigeren Produkten steigt – es liegt in der Verantwortung der Unternehmensführungen, Entscheidungen zu treffen, die nicht nur der Profitabilität ihrer eigenen Unternehmen dienen, sondern auch der Langlebigkeit. Für Kunden, Mitarbeitende und Investoren gewinnen Unternehmen zunehmend an Attraktivität, die nachhaltige Lösungen anwenden. Gleichermaßen werden diese verstärkt von Regierungen und Behörden gefordert.

Kurz gesagt müssen Edelstahlhersteller wie Outokumpu heute aktiv werden, um die Zukunft ihres Geschäfts, ihrer Mitarbeitenden und des Planeten zu sichern. Ihr Hauptziel sollte dabei Dekarbonisierung sein, die auf der Grundlage miteinander verbundener Faktoren wie Zirkularität, Technologie und Zusammenarbeit umgesetzt werden kann.

Es ist auch von großer Bedeutung, die Unterschiede zwischen Kohlenstoffstahl und Edelstahl zu verstehen – die oft als 1:1-Alternativen gesehen werden. Dabei ist Edelstahl dank seiner einzigartigen Eigenschaften wie Langlebigkeit, geringem Wartungsbedarf und Korrosionsbeständigkeit nicht nur die robusteste, sondern auch die wirtschaftlich nachhaltigste Wahl.

Zirkularität und Technologie

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit beschreibt der Begriff „zirkulär“ Systeme, in denen Ressourcen für die gleichen oder ähnliche Anwendungen immer wieder eingesetzt werden, was ihren Wert maximiert und die Entstehung von Abfall minimiert. In der Edelstahlproduktion kann durch den Einsatz von Recyclingmaterial ein hoher Zirkularitätsgrad erreicht werden – noch vereinfacht durch die Tatsache, dass Edelstahl ohne Qualitätsverlust unendlich oft recycelt werden kann. Outokumpu produziert Edelstahl zum Beispiel mit mehr als 90 Prozent Recyclingmaterial. Da der weltweite Durchschnitt jedoch nur bei etwa 44 Prozent liegt, besteht ein enormes Potenzial für die Branche, mit mehr Recycling positiv Einfluss zu nehmen.

Eine andere Möglichkeit, mehr Zirkularität in die Edelstahlproduktion zu bringen, bietet
Biokoks, der nur CO2 zirkuliert, das auf natürliche Weise von Bäumen und anderen Pflanzen gebunden wird. Biokoks ist eine erneuerbare Ressource und kann in Form von Abfällen und Reststoffen – etwa aus Holz- und Papierfabriken – gehandelt werden. Derzeit ist der Großteil der direkten Emissionen aus der Edelstahlproduktion auf die Verwendung von fossiler Kohle zurückzuführen, die zum Schmelzen und Reduzieren von Eisenerz eingesetzt wird, sowie auf die Verwendung von fossilem Koks zur Herstellung von Ferrochrom, einem der wesentlichen Rohstoffe für Edelstahl. Es ist jedoch möglich, fossile Kohle durch Biokoks zu ersetzen, was die Emissionen erheblich reduziert.

„Sich auf Zirkularität als Ganzes zu konzentrieren, hilft uns nicht nur, unsere Emissionen zu senken“, sagt Erdmann. „Es eröffnet unseren Kunden auch die Möglichkeit, Fortschritte bei ihren Nachhaltigkeitszielen zu machen.“

Technologie ist ein Teil dessen, was Zirkularität ermöglicht, aber sie spielt auch eine umfassendere Rolle bei der Dekarbonisierung. So können Anwendungen der künstlichen Intelligenz beispielsweise in Produktionsprozessen eingesetzt werden, um menschliche Entscheidungen durch Daten zu unterstützen und die Auswirkungen menschlicher Fehler zu eliminieren, und dadurch die Effizienz erheblich steigern und Abfälle reduzieren. Noch wichtiger ist, dass Technologie die Sammlung und Analyse von Emissionsdaten ermöglicht, was dazu dient, das Bewusstsein zu schärfen, die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten anzukurbeln und eine Grundlage für branchenweite Maßstäbe zu schaffen.

Entstehende Ökosysteme & mutige Ziele

Um das Potenzial auszuschöpfen, das Technologie und Zirkularität bieten, müssen Edelstahlhersteller innovative Partnerschaften eingehen und dabei neue Ökosysteme mit mehreren Interessengruppen schaffen. Ohne Partnerschaften, betont Erdmann, sei die Umsetzung von Strategien wie die Einführung von Biokoks oder die Rückgewinnung von zusätzlichem Edelstahlschrott praktisch unmöglich. Da sich die Industrie zunehmend neuesten Verfahren und Materialien zuwendet, sind Partnerschaften erforderlich, um Wissenslücken zu schließen und Know-how-Silos aufzubrechen.

„Offen gesagt haben wir selbst nicht alle notwendigen Kenntnisse, wenn es um Dinge wie Biokoks, Biokraftstoffe usw. geht“, sagt Erdmann. Zudem ist es extrem hilfreich, nicht nur mit großen Institutionen zusammenzuarbeiten, die Ressourcen mitbringen – sagen wir Microsoft oder das MIT, sondern auch mit kleinen Unternehmen, die über viel Agilität und unternehmerische Vision verfügen.“

Beim Aufbau solcher Partnerschaften sind auf organisatorischer Ebene Demut und Mut gleichermaßen gefragt. „Innovationsfähigkeit“, ergänzt Erdmann, „fällt nicht vom Baum.“ Stattdessen erfordert sie harte Arbeit, langfristige Visionen und die Bereitschaft, neue Strategien voranzutreiben – auch wenn dies kurzfristig mit geringeren Margen verbunden ist.

"Stahlunternehmen müssen eine große Rolle beim Klimawandel spielen, indem sie mutige Schritte hin zu einer Stahlproduktion mit möglichst geringem CO2-Fußabdruck unternehmen"

Neue Identitäten annehmen

Die Edelstahlindustrie war lange eine denkbar einfache: Rohstoffe einkaufen, Stahl produzieren und an die Kunden verkaufen. Die heutigen globalen Herausforderungen verlangen jedoch von den Herstellern, neue Identitäten zu entwickeln und einen wesentlichen Beitrag zur expandierenden Wirtschaft nachhaltiger und zirkulärer Lösungen zu leisten.

„Es ist nicht länger unsere Aufgabe, einfach nur Stahl zu produzieren“, stellt Erdmann fest. „Unsere Aufgabe ist es, all unsere Fähigkeiten und Ressourcen zu nutzen, um eine bessere Zukunft für unser Unternehmen und unseren Planeten aufzubauen.“

Edelstahlunternehmen, die die Dekarbonisierung als Notwendigkeit verstanden haben, werden widerstandsfähiger und besser auf die Zukunft vorbereitet sein, wenn die Forderung von CO2-Neutralität von der Forderung von CO2-Negativität überholt wird oder wenn andere nachhaltige Entwicklungsziele wie die Förderung der biologischen Vielfalt oder die Beseitigung der Armut in den Vordergrund rücken.

„Die vollständige Dekarbonisierung der Edelstahlindustrie ist möglich und Outokumpu hat sich zum Ziel gesetzt, Vorreiter bei nachhaltigem Edelstahl zu sein. Stahlunternehmen müssen eine große Rolle beim Klimawandel spielen, indem sie mutige Schritte hin zu einer Stahlproduktion mit möglichst geringem CO2-Fußabdruck unternehmen. Indem wir Materialien immer wieder verwenden, können wir eine Welt schaffen, die ewig bestehen kann. Unser Planet braucht keine neuen Dinge – er braucht vor allem Dinge, die wiederverwendet werden und Dinge, die lange halten.“